#23 Making Memories – Lebe Dein Leben

Kennst Du das Gefühl, wenn Dich ein Song, ein Geruch, ein Bild oder schlicht ein Name, in die die Vergangenheit katapultiert?

So ging es mir heute Morgen, als ich nach dem Aufwachen eine Schlagzeile in der Spiegel Online App las. Die Jazzsängerin Astrud Gilberto ist heute im Alter von 83 Jahren gestorben. Ich las ihren Namen und wusch –  war ich wieder Anfang/Mitte zwanzig und hatte Bilder im Kopf, die kein bisschen verblasst sind, weil sie so voller Emotionen sind.

Wenn die Vergangenheit anklopft

Ihre Musik ist ganz fest mit einer besonderen Zeit und besonderen Menschen in meinem Leben verbunden. Es war eine Zeit, wo sich die Welt ganz bewusst so unfassbar groß und bunt anfühlte und ich zum ersten Mal das in mir spürte, dass alles im Leben möglich ist. Es war eine Zeit der Lebeleichtigkeit, des Optimismus und der Erfahrungen. Durch und durch.

Schlafsack und Isomatte sind immer mit dabei.

Ich nehme Dich mal mit: Es ist Anfang der 90er. Ich bin Studentin und habe nach der ersten WG Erfahrung meine erste eigene kleine Wohnung in Essen bezogen. 36 Quadratmeter meins. Klein und fein und mit allem, was ich brauche. Ein Wohn-/Schlafraum mit Kochnische, Miniflur mit Wandschrank, in dem ich meine Kleidung aufbewahre, Bad und Balkon, der, sobald es warm wurde, zu einem zweiten Zimmer wurde.  Vor der Tür steht ein alter roter R4, der für mich der Inbegriff der Freiheit ist. Im Kofferraum sind immer Schlafsack, Isomatte und ein kleines Zelt, ganz nach dem Motto:  „Be always prepared“. Ich möchte die Welt erkunden und  bin so etwas von bereit, das Beste aus meinem Leben zu machen.

Begegnungen, die das ganze Leben prägen

Das Studium finanziere ich mit Bafög und mehreren Jobs, die mich mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammenbringen. Eine davon ist Violetta, die ich im Zukunftsforschungsinstitut kennenlerne, wo wir beide jobben.

Sie ist eine große Fragestellerin, neugierig im besten Sinne und wahnsinnig schlau. Violetta studiert wie ich Kommunikationswissenschaften, jedoch nimmt sie schon seit Jahren nicht mehr an Vorlesungen teil. Stattdessen studiert sie das Leben und die Menschen und tut Gutes, wo immer es ihr möglich ist. Ich bewundere sie, weil sie so anders ist als alle anderen, die ich kenne. Sie ist philosophisch, spirituell, mutig und bestimmt und trotzdem introvertiert und leise. Häufig schräg, aber so wissend und besonders, dass ich am liebsten ganz viel an ihrer Seite bin.

Dank Violetta lerne ich (neben vielen anderen Dingen) eine völlig andere Musikwelt kennen. Sie liebt die Musik in allen Facetten, hat eine unfassbar große CD Sammlung und mixt mir Tapes, damit ich ein Gespür für die Musik bekomme und es funktioniert. Seit dieser Zeit liebe und höre ich Jazz und Klassik (und natürlich immer noch Depesche Mode ;-)).

Making Memories

Astrud Gilbertos Musik gehört in diese Zeit mit Violetta. Eine Zeit, die für mich so prägend war, weil sie verbunden ist mit einer unstillbaren Lust auf Kunst, Kultur, Kino, Lernen, Reisen, sich verlieben und die Welt erobern. Meine Kalender und Tagebücher aus dieser Zeit sind voll mit Tickets, Fahrscheinen und so vielen Namen von Menschen, mit denen ich damals meine Zeit verbracht habe. In meiner kleinen Wohnung gab es Partys, die häufig mehr Personen als Quadratmeter umfassten, aber auch feine Diners am langen (Tapezier)-Tisch, mit einem Bettlaken als Tischdecke und immer wieder kurzfristig Obdach für entzweite Liebende und Sleepovers, wenn der Abend lang war.

Heute Morgen war plötzlich der ganz besondere Sommer wieder da, wo sich so viel ereignete. Ich war sehr verliebt in einen älteren Mann und er in mich. Doch der Altersunterschied erschreckte uns beide und wir beschlossen, dass wir uns einander aus dem Kopf und aus dem Herzen schlagen, während ich die kommenden drei Monate in Afrika sein werde.

Drehe Deinen eigenen Lebensfilm

Violetta wusste von unseren Gefühlen, denn sie hatte den „spark“ zwischen uns bereits im ersten Augenblick gespürt, noch bevor wir es selbst wahrhaben wollten. Auch das war eine ganz besondere Eigenschaft von ihr. Dinge zu spüren und zu sehen und ganz besonders intuitiv und sensibel zu sein. Nach einem Open Air Sommerkonzert radelte ich mit meinem damaligen Liebsten Hand in Hand nach Hause. Violetta fuhr vor uns im Auto mit heruntergelassenen Scheiben und spielte wunderschöne (Abschieds-)Musik für uns.  Vielleicht war es sogar Astrud Gilberto – ich erinnere mich nicht mehr genau. Plötzlich fing es an zu regnen, erst leicht und dann immer stärker. Musikalisch begleitet radelten wir weiter und die Tränen verschmolzen mit dem Regen. Für mich eine Szene, die ein Film nicht schöner darstellen könnte und die immer in meinem Herzen bleiben wird.

Mach es Dir lebeleicht

Heute Morgen ging ich statt ins Büro direkt in den Keller. Ich suche nach einem bestimmten Foto und hatte plötzlich die Box mit
den alten Kassetten und Tagebüchern vor mir. Ich fand nicht, wonach ich suchte und doch so viel mehr. Den halben Vormittag tauchte ich ab und verbrachte ihn in Reminiszenz an diese Zeit.

Wenn ich meine persönliche Erinnerung hier aufschreibe, ist es mehr als eine nostalgische Abhandlung. Für mich ist es eine Ermunterung, das Leben in vollen Zügen zu genießen, es sich einzuverleiben, so wie es Violetta immer getan hat. Ich durfte mich heute selbst daran erinnern, dass vieles leichter sein  kann und darf. Dass wir jeden Tag die schönen Momente in unserem Leben erschaffen und dass sie selten etwas mit Geld und Besitz zu tun haben. Wahre Momente sind erfüllt von Menschen, die wir lieben und schätzen, mit denen wir lachen, lernen und im Sommerregen tanzen.

Diesen Gedanken wollte ich heute mit Dir teilen.

 

Möchtest Du keinen Blogbeitrag, weitere Inspirationen und Neuigkeiten mehr verpassen? Dann melde Dich gern für meine Inspirationspost an.

 

Nachtrag:

Violetta ist leider viel zu früh verstorben. Ihre Beerdigung hatte sie als großes Lebensfest geplant mit Tanz, Musik und Begegnung. Für mich eine weitere Inspiration, die ich gerne weitertrage.

6 Kommentare
    • Nicole sagte:

      Liebe Ulrike, wie schön, wenn ich Dich ermuntern konnte in Erinnerungen abzutauchen, die ein gutes Gefühl hinterlassen.

      Antworten
  1. r23 sagte:

    wow – was für schöne Erinnerungen. Meinem letzten musikalischen Flashback hatte ich sicherlich bei Tina Turner.
    Aber den intensivsten mitten im Covid Lockdown… im Dezember.
    Zur Aufhellung habe ich mir zu dem Zeitpunkt lustige Videos auf YouTube angesehen. Zum Beispiel
    „Das Ei ist hart“ – Loriot
    https://www.youtube.com/watch?v=90-3Vv5OMsY

    Fünf Minuten herzhaft lachen bevor man die E-Mails öffnet, hilft mir in den Tag. Aber ausgerechnet eine Künstlerin musste ein Lieblingslied aus meiner Jugend covern. Und das Musikempfehlungssystem schlug mir den Titel vor.

    Miley Cyrus – Heart Of Glass (Live from the iHeart Festival)
    https://www.youtube.com/watch?v=NbdRLyixJpc

    Es gab an den Tagen in dem Dezember nur ein Musikvideo für mich. Ich war für den Moment wieder 16.

    Jahrelange Projekte sind zu der Zeit an die Wand gefahren. Stammkunden haben sich verabschiedet.

    Heute ist es
    Prince & The New Power Generation – Cream
    https://www.youtube.com/watch?v=rrbFQEcpJ3A

    Viele Grüße

    Ralf

    Antworten
    • Nicole sagte:

      Hallo Ralf, vielen Dank für Deinen Kommentar. Wir haben einen ähnlichen Musikgeschmack, denn ich bin seit Ende der 80er auch ein großer Prince Fan. Und natürlich klar Blondie! Mit Freundinnen haben ich zusammen mit Haarbürsten als Mikro vor dem Spiegel „Heart of Glass“ performt. 😂 Komm gut in den Tag und allseits eine schöne musikalische Zeit.

      Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert